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Geschichtliches aus Truttikon

Männer und Frauen der Hallstattzeit (ältere Eisenzeit) waren wohl die ersten Siedler in Truttikon. Auf dem Rietbuck weisen Grabhügelnekropolen aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend auf die frühe Anwesenheit dieser Menschen hin.

Schwarz auf Weiss findet Truttikon allerdings erst gut tausend Jahre später zum ersten Mal eine Erwähnung. Urkundlich ist festgehalten, dass am 12. April 858 in Frankfurt am Main König Ludwig der Deutsche, Enkel Karls des Grossen und seit 843 Herrscher über das Deutsche Reich, einem Grossgrundbesitzer namens Wolven das Kloster Rheinau übergab. Wolven übernahm den Schutz des Klosters und gewährte ihm die freie Abtwahl und die Immunität. In der Pergamentsurkunde, die sich im Staatsarchiv Zürich befindet, sind die Ortschaften genannt, die Wolven dem restaurierten Kloster Rheinau übertrug. Aus unserer Region sind es die Orte Truttaninchova (Truttikon), Martella (Marthalen), Eleeninchova (Ellikon am Rhein), Willigisespuoh (Wildensbuch), Ruadolfinga (Rudolfingen), Trullinchova (Trüllikon), Pecchinchova (Benken), Slat (Schlatt TG), Stamheim (Stammheim), Nuzpouma (Nussbaumen TG), Morineswilarae (Mörlen, Gemeinde Laufen-Uhwiesen).

Die nächsten paar hundert Jahre teilte Truttikon das Schicksal vieler anderer Orte im Zürcher Weinland: Die Siedlung befand sich im Untertanengebiet häufig wechselnder Besitzer und man war zehntenpflichtig nach vielen Seiten.

Im Jahre 1556 kaufte das Augustinerkloster Kreuzlingen die Herrschaft über Truttikon und besass diese bis 1798. Ab 1662 bis 1730 verlieh das Kloster die Rechte über Truttikon an die Zürcher Familie Bürkli.

Im Mittelalter zur Grafschaft Kyburg gehörend, übernahm 1452 die seit 1351 dem Bund der schweizerischen Eidgenossenschaft angehörende Stadt Zürich das hoheitliche Zepter. Die so genannte Zürcher Landschaft war damals in Land- und Obervogteien unterteilt. Die Stadt Zürich schlug Truttikon dem Ausseramt der Landvogtei Kyburg zu.

Bereits im Jahre 1300 stand in Truttikon am südlichen Dorfrand eine Kapelle, welche dem Heiligen Oswald geweiht war. Aus heute nicht nachvollziehbaren Gründen brach die Kirchgemeinde sie 1856 ab. Vor der Reformation war die Truttiker Bevölkerung teils nach Laufen, teils der Bergkirche Rheinau kirchgenössig. 1529 wurde Truttikon der neu geschaffenen Kirchgemeinde Trüllikon zugeteilt. Noch heute gehören die reformierten Truttikerinnen und Truttiker der Kirchgemeinde Trüllikon-Truttikon an.

1798 brach die alte Eidgenossenschaft in sich zusammen und Abgeordnete aus dem vormaligen Herrschaftsgebiet Zürich halfen mit, die zentralistische und nur kurzlebige Helvetische Republik zu gründen. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde die politische Landschaft im Kanton Zürich radikal umgebaut. Über das Netz der alten Dorfgemeinden und Einzelhöfe legte die damalige Regierung das grössere Gebilde der "Munizipalität", das sich überall dort, wo es sinnvoll war, an die Grenzen der Kirchgemeinden hielt. So teilte man Truttikon zusammen mit Rudolfingen und Wildensbuch der Munizipalität Trüllikon zu.

Während des 2. Koalitionskriegs (1799 - 1802) zwischen Frankreich und den Gegnern England, Österreich und Russland war das Zürcher Weinland Kriegsschauplatz französischer, österreichischer und russischer Heere. Die Bevölkerung litt unter den Kampfhandlungen, Einquartierungen und Plünderungen fremder Soldaten.

Im Jahr 1831 nahm das Zürcher Volk an der ersten kantonalen Abstimmung überhaupt die Kantonsverfassung an. Die Vorherrschaft der Stadt Zürich war damit gebrochen, die heutigen politischen Strukturen entstanden. Aus der "Munizipalität" entstand die "Politische Gemeinde", die alten Dorfschaften taufte man um in "Zivilgemeinden". Die Zivilgemeinde Truttikon wurde so Teil der Politischen Gemeinde Trüllikon.

1856 erbaute die Kirchgemeinde am oberen Dorfrand eine gut einsehbare Kirche in neugotischem Stil. Nur hundert Jahre später brach man sie aber wieder ab, und es entstand 1959 an ihrer Stelle die heutige Kirche.

In Truttikon wuchs ab Mitte des 19. Jahrhunderts der Wille zur Selbstständigkeit. Eine dafür notwendige Änderung der Kantonsverfassung wurde ab 1846 angestrebt. Es brauchte allerdings viel Ausdauer und Kampf, bis die Truttiker ihre herbeigesehnte Unabhängigkeit erlangen konnten. Erst im Januar 1878 kamen im Kantonsrat die Petitionen von 36 Zivilgemeinden zur Sprache, welche die Bildung neuer oder die Auflösung bisheriger politischer Gemeinden zum Ziele hatten. Als einzige Zivilgemeinde war Truttikon damals erfolgreich. In der Volksabstimmung vom 28. April 1878 nahmen die Zürcher Stimmberechtigten mit grossem Mehr das "Gesetz betreffend Erhebung der Zivilgemeinde Truttikon zu einer Politischen Gemeinde" an. Am 01. Januar 1879 erblickte die Politische Gemeinde Truttikon das Licht der Welt!

Die neu gewonnene Unabhängigkeit musste nachhaltig gesichert werden. Wie der Stand Zürich säkularisierte auch der benachbarte Thurgau im 19. Jahrhundert die Klöster. Im Jahre 1869 hob der Kanton Thurgau das Kloster St. Katharienental auf, funktionierte es in ein Altersasyl um und versilberte kurze Zeit später einen Teil der ehemaligen Klostergüter. 1880 kam so der Waldkomplex "Chlosterholz" zwischen Dickihof und Truttikon unter den Hammer. Die Gemeinde Truttikon liess sich nicht zweimal bitten und ersteigerte sich den vormals klösterlichen Wald der Thurgauer. Die Investition in die damals ertragsreiche Waldwirtschaft war für die junge Gemeinde ein wichtiger Konsolidierungsschritt.

Der ländliche Alltag in Truttikon bis zum Ende des vorletzten Jahrhunderts war eher karg und mühselig. Das Trinkwasser beispielsweise musste aus tiefen Ziehbrunnen mit ausgebohrten Tannenstämmen, so genannten "Tücheln", bezogen werden. Die Tüchel oder "Tichel" wurden ins Wasser gestellt, so dass mit einem Hebel und einer Kolbenvorrichtung Wasser angesaugt und ans Tageslicht befördert werden konnte. Brunnen dieser Art waren im ganzen Dorf verteilt, je nach dem, an welcher Stelle die damals berühmt-berüchtigten Rutengänger und Wasserriecher zuvor eine Wasserader geortet hatten. Das Wasser aus den alten Brunnen war oft von schlechter Qualität und bei langer Trockenheit versiegten die kleinen Versorgungen gänzlich.

Im Jahre 1896 war es vor allem der damalige Gemeindepräsident Heinrich Weidmann, der sich für die Erstellung einer modernen Wasserversorgung stark machte. Ein Winterthurer Ingenieur legte im Auftrag des Gemeindepräsidenten ein Projekt für eine Wasserfassung im Wiesental, südlich des Dorfes, vor. Im April 1898 wurden zur Beurteilung der Machbarkeit der damals bekannte Geologe Professor Heim sowie zwei Ingenieure namens Ehrensberger und Bosshard aus Winterthur hinzugezogen. Die drei Fachmänner kamen zum Schluss, dass im Wiesental genügend Wasser vorhanden sei.

Nicht geklärt war die Frage, wie das Wasser ins Dorf gepumpt werden sollte. Strom gab es damals im Dorf noch nicht. Man zog in Erwägung, eine mit Petrol getriebene Motorpumpe anzuschaffen. Die Idee wurde aber wieder verworfen, da solche Motoren damals zu wenig zuverlässig waren.

Etwa im selben Zeitabschnitt wurde in Oberstammheim die mit einer Leistung von 450 Liter Wasser pro Minute gesegnete Otterlochquelle entdeckt. Gemeindepräsident Weidmann reagierte rasch und deponierte bei seinem Amtskollegen in Oberstammheim das Truttiker Kaufinteresse an einer Optionsmenge.

Nach langem Zögern zeigte sich Oberstammheim bereit, den Politischen Gemeinden Truttikon und Ossingen (Gisenhard) sowie der Zivilgemeinde Guntalingen 170 Minutenliter zu verkaufen.

In Truttikon beriet die Gemeindeversammlung am 01. Juli 1900 über den Kauf der Optionsmenge an der Otterlochquelle und die Erstellung einer Wasserversorgung im Dorf. Die Angelegenheit war nicht unbestritten. Einzelne Stimmen befürchteten, dass das Wasser in der langen Leitung vom Stammertal nach Truttikon schlecht werden würde. Ein Stimmberechtigter, der lange Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte, stand in der Versammlung auf und hielt unmissverständlich fest: "Faules Wasser kriegen wir, genau das kriegen wir!" Am Schluss erhoben sich 49 der 69 anwesenden Stimmberechtigten und hiessen damit die Erstellung der Wasserversorgung gut.

In einer rekordverdächtigen Bauzeit wurde das für Truttikon grosse Werk erstellt. Nach dem positiven Beschluss der Gemeindeversammlung erstellten Ingenieure im Herbst 1900 die Projektierung und die Baupläne. Im Dezember 1900 vergab der Gemeinderat die Aufträge an die Fuhrleute für die Kiestransporte. Mit dem eigentlichen Bau begann man im Frühling 1901. Bereits im September war der Bau des Reservoirs auf dem Rietbuck abgeschlossen und am 02. Januar 1902 fanden die Abnahme der Arbeiten an der gesamten Wasserversorgung und eine einfach Einweihungsfeier statt.

Die Gesamtkosten für den Kauf der Optionsmenge (CHF. 15'800) und die Planung sowie den Bau der Wasserversorgung beliefen sich auf CHF. 76'000. Bereinigt man diesen Betrag mit dem LIK-Teuerungsrechner - der die Teuerung erst seit 1915 misst - so erhält man zu heutigen (2008) Preisen einen Betrag von CHF. 700'000. Es ist erstaunlich, dass ein solch grosser Bau zu solch tiefen Kosten realisiert werden konnte. Man muss sich dazu vor Augen führen, dass sich damals der Mechanisierungsgrad in der Bauwirtschaft im Vergleich zu heute noch in den Kinderschuhen befand. Es war auf den Baustellen also viel mehr Handarbeit nötig, als dies heute der Fall wäre. Dies legt den Schluss nahe, dass die Stundenansätze der am Werk Beteiligten tief angesetzt gewesen sein mussten.

Die Erstellung der heute so selbstverständlichen Trinkwasserversorgung war ein Quantensprung in der Modernisierung des Dorfes. Und der Aufbruch in die Moderne blieb nicht stecken: 1911 wurde das Dorf elektrifiziert, fünfzig Haushalte bezogen von da an Strom.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liess das eine oder andere kommunale Abstimmungs- und Wahlergebnis aufhorchen. 1947 beispielsweise verwarf Truttikon als einzige Gemeinde im Kanton Zürich die Einführung der AHV. Nicht anders erging es 1970 der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für die Frauen: Bei einer Stimmbeteiligung von 75 % votierten nur 27.4 % der Männer für die Vorlage.

Während aber Ossingen, Winterthur oder die USA noch immer auf ihre erste Präsidentin warten, stand der Politischen Gemeinde Truttikon von 1994 bis 2014 ununterbrochen eine Frau vor.

In jüngerer Zeit sorgte im Sommer 2006 die Kappung der Wasserleitung aus dem Stammertal für Schlagzeilen. Der Gemeinde fehlte das Geld für die dringend notwendige Sanierung der 100-jährigen Transportleitung, welche das Quellwasser aus dem Otterloch ins Dorf lieferte. Derzeit versorgt das Pumpwerk Thurtal-Feldi die Truttiker Bevölkerung mit Frischwasser und es wird geprüft, ob es günstigere Alternativen zur Otterlochquelle gibt.

Noch heute ist die Gemeinde stolz darauf, eigenständig zu sein. Dass die Geschicke eines Dorfes nicht immer nur im Kleinen geregelt werden können, ist den Truttikerinnen und Truttikern klar. Die verschiedenen Mitgliedschaften in Zweckverbänden zeugen davon. Man ist sich auch der Abhängigkeit vom Steuerausgleich der reicheren Gemeinden des Kantons bewusst. Im Gegenzug bemüht sich die Gemeinde, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln haushälterisch umzugehen.


Text: Arnold Trachsler & Patrick Waespi


Quellen:
Begrüssungsschrift Gemeinde Truttikon; Festschrift zum Kirchenneubau; Andelfinger Zeitung 14.09.1979, Bericht über die Festivitäten zu 100 Jahre Gemeinde Truttikon, Rede von Walter Hanhart; Geschichte der Wasserversorgung Truttikon, Albert Keller.

Amtierende Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten sowie Gemeindeschreiber von 1879 bis heute

Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten

  1. 1879-1882: Johann Keller, Kantonsrat
  2. 1882-1884: Heinrich Fink
  3. 1884-1909: Heinrich Weidmann
  4. 1910-1942: Johann Keller-Bölsterli
  5. 1942-1962: Jakob Bai-Ruf
  6. 1962-1968: Paul Wägeli-Keller
  7. 1968-1982: Max Keller-Keller
  8. 1982-1993: Jörg Denzler-Vogler
  9. 1993-2002: Heidi Steinemann-Würth
  10. 2002-2014: Jolanda Derrer-Hofmann
  11. 2014- : Sergio Rämi

Gemeindeschreiberinnen / Gemeindeschreiber

  1. 1879-1885: Johann Keller
  2. 1885-1921: Konrad Keller
  3. 1921-1931: Carl Herzog-Windler
  4. 1931-1958: Albert Keller-Meier
  5. 1958-1970: Karl Bai-Hertli
  6. 1970-1986: Ernst Herzog-Egloff
  7. 1986-2005: Wilfried Steinmann-Bopp
  8. 2005-2012: Patrick Waespi
  9. 2012-2013: Ernst Bühler / Irina Pletscher
  10. 2014-2016: Irina Pletscher-Huber
  11. 2016-2022: Verena Siegwart
  12. 2022- : Melanie Süsstrunk